Skip to content
turkey-weaponizing-counterterrorism-osce-warsaw-conference-2025

Von der Terrorismusbekämpfung zur Zerstörung der Justiz: Das System der Straflosigkeit in der Türkei – vorgestellt auf der OSZE-Menschenrechtskonferenz 2025 in Warschau

Im Namen der Organisation Human Rights Defenders (HRD) sprach Prof. Hüseyin Demir, Präsident von HRD, auf der OSZE-Menschenrechtskonferenz 2025 in Warschau, die unter der finnischen OSZE-Präsidentschaft mit Unterstützung des ODIHR veranstaltet wurde. Seine Botschaft war klar und eindringlich:
Die Türkei ist heute ein Musterbeispiel dafür, wie der Begriff der „Terrorismusbekämpfung“ als politisches Werkzeug missbraucht wird, um Rechtsstaatlichkeit zu untergraben und Folter zu normalisieren.


Die Instrumentalisierung der Terrorismusbekämpfung

Seit fast einem Jahrzehnt zeigt die Türkei, wie Gesetze zur Terrorismusbekämpfung missbraucht werden, um Andersdenkende zu verfolgen. Artikel 314 des türkischen Strafgesetzbuches über die „Mitgliedschaft in einer bewaffneten terroristischen Organisation“ ist so unklar formuliert, dass mehr als 2,2 Millionen Menschen seit 2016 ins Visier der Justiz geraten sind.
Darunter befinden sich Lehrer, Richter, Wissenschaftler, Journalisten und sogar Minderjährige, die lediglich ihr Recht auf freie Meinungsäußerung oder friedliche Zugehörigkeit ausgeübt haben.

Der Ausschuss gegen Folter der Vereinten Nationen berichtet regelmäßig, dass Geständnisse unter Zwang erpresst werden, Anwälte keinen Zugang zu Mandanten erhalten und Folter in Form von Schlägen, Schlafentzug oder sexueller Gewalt weit verbreitet ist.
Die Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen für willkürliche Inhaftierungen bezeichnet die Verfolgung vermeintlicher „Gülen-Anhänger“ sogar als Verbrechen gegen die Menschlichkeit.


Ausweitung der Repression auf Kinder, Kranke und Frauen

Die Unterdrückung betrifft zunehmend auch die Schwächsten der Gesellschaft:
Kinder, die unter dem Antiterrorgesetz festgenommen werden,
Parkinson-Patienten, die im Gefängnis verbleiben,
Frauen, die gezwungen sind, ihre Babys in überfüllten Zellen großzuziehen.

Diese Zustände sind kein Zufall, sondern Teil eines Systems, das Grausamkeit normalisiert und menschliches Leid politisch instrumentalisiert.


Straflosigkeit als Fundament des Systems

In der Türkei bilden Folter und Straflosigkeit einen sich gegenseitig verstärkenden Kreislauf.
Staatsbedienstete werden kaum untersucht, Staatsanwälte lehnen Verfahren ab, Gerichte verwerfen Beweise unter dem Vorwand „staatlicher Geheimhaltung“.
Durch Sonderdekrete erhalten Sicherheitskräfte faktische Immunität für Handlungen, die im Rahmen „antiterroristischer Operationen“ begangen werden.

Das Antiterrorgesetz Nr. 3713 kriminalisiert jede Form der Kritik und verwandelt abweichende Meinungen oder journalistische Recherchen in „terroristische Propaganda“.
Jährlich werden rund 200.000 neue Terrorverfahren eröffnet – ein bewusst geschaffener Zustand permanenter Unsicherheit, der Gehorsam durch Angst erzwingt.

Wenn Staatsanwälte zu Verfolgern werden und Richter den Willen der Exekutive umsetzen, kann keine echte Justiz existieren, sondern nur Einschüchterung im Namen des Gesetzes.


Forderungen an die OSZE-Mitgliedstaaten

HRD ruft alle Teilnehmerstaaten der OSZE auf:

  1. Aufhebung oder grundlegende Änderung des Antiterrorgesetzes Nr. 3713 im Einklang mit internationalen Standards.

  2. Unabhängige und unparteiische Untersuchungen von Folter, Misshandlungen und Todesfällen in Gewahrsam.

  3. Umsetzung der Urteile des EGMR und der UN-Gremien, Freilassung politischer Gefangener und Wiederherstellung richterlicher Unabhängigkeit.

  4. Konditionierung sicherheitspolitischer Zusammenarbeit an konkrete Fortschritte bei der Rechenschaftspflicht.


Das unveräußerliche Prinzip: Keine Ausnahme für Folter

Nach internationalem Recht gilt ein absolutes Folterverbot, das auch in Notstandszeiten nicht aufgehoben werden darf.
Die Türkei hat dieses Prinzip 1984 ratifiziert. Nun ist es an der Zeit, es auch einzuhalten.

Unsere Aufgabe als Menschenrechtsverteidiger ist eindeutig:
Die Gewalt hinter der Sprache der „Sicherheit“ aufzudecken, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und daran zu erinnern, dass Schweigen der Sauerstoff der Straflosigkeit ist.

Danke.

Noch kein Kommentar, Füge deine Stimme unten hinzu!


Kommentar hinzufügen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert